Als Jorge Alderete (aka Dr. Alderete) nach seiner langen Reise aus Mexiko auf der Körnerstraße ankam, war er verwundert: Es war ein heißer Sommerabend im Juni, heißer als er es für Deutschland erwartet hatte. Nachbarn scharten sich an verschiedenen Stellen der Straße auf dem Bürgersteig, um über einem Kölsch das Tagesgeschehen zu besprechen. Und im Restaurant ums Eck aß man unter lautem Geschnatter Tapas. Der Graphic Artist aus Mexiko City war auf Einladung des PhotoBookMuseums nach Köln gekommen, um das Chargesheimer Projekt mit neuen visuellen Impulsen zu begleiten.
Fotos: Dr. Alderete
Chargesheimers Aufnahmen vom Köln der 50er Jahre waren die ersten Bilder, die er vor seiner Ankunft von der Stadt sah und kannte. Sie zeigten eine vom Krieg gezeichnete Stadtlandschaft, die sich langsam industriell zu verändern begann. Was sie ebenfalls preisgaben, war ein schon damals trotz der Umstände lebenslustiges Miteinander und eine ausgeprägte Festivitätskultur. Zum Teil liegt das den Kölnern ja bekanntlich im Blut, doch vieles war auch auf die besondere Dynamik zurückzuführen, die zu der Zeit auf und um „Unter Krahnenbäumen“ herrschte – eine Straße, deren buntes Treiben durch Chargesheimers Straßenballade Geschichte geschrieben hat. Obwohl diese Straße und ihre fast südländisch-herzliche Atmosphäre im Laufe der Jahrzehnte diversen städteplanerischen Maßnahmen fast vollständig zum Opfer gefallen ist, scheint eine ähnliche Lebensart im heutigen Köln an anderer Stelle wieder aufzuleben: auf der Körnerstraße in Ehrenfeld. So zumindest erschien es auch dem weit gereisten Jorge Alderete.
Während seiner dreiwöchigen Residency produzierte er 3D-Transformationen zu „Unter Krahnenbäumen“, Neuinterpretationen von Bildern aus Chargesheimers Fotobuch „Köln 5 Uhr 30“ und ein Set selbstentworfener Masken, die sich formal ganz klar aus Chargesheimers Fotografien herausarbeiten. In ihrer grafischen Reduktion verweisen sie sowohl auf mexikanische Maskenkultur, als auch auf Comicfiguren ikonischer Graphic Novels. Menschen, die er auf der Körnerstraße traf, schmückte er nun mit seinen Masken und fotografierte sie an historischen Orten in der ganzen Stadt.
Zusammen mit grafischen Neuinterpretationen der Protagonisten aus „Unter Krahnenbäumen“ wurden seine Fotografien während des Körnerstraßenfestes einer breiten Öffentlichkeit präsentiert und ein weiteres Mal in unserer Zwischenbilanz im Bunker 101gezeigt. Das charakteristische, aus einer Fotografie aus „Unter Krahnenbäumen“ weiterentwickelte Auge, haben wir inzwischen in unser Corporate Design integriert.